1001MIGLIA / Eine kleine italienische Rad-Rundreise / der dirk in tournée

Zusammen mit Radfreunden aus S-H am Start

Super-Brevet 1001Miglia Italia vom 16. – 22. August  2024. Der längste Radmarathon Europas, so die Eigenwerbung des Veranstalters, war meine diesjährige größte Herausforderung und gleichzeitig Saisonhöhepunkt. Gut trainiert, intensiv vorbereitet und bestens informiert, wurde es zu meiner bisher längsten Solofahrt.

Etwa 500 Radfahrer aus aller Welt bildeten ein international buntes und vielsprachiges Starterfeld von Langstreckenenthusiasten bei diesem italienischen Radsport-Event:

  • 1001 Meile = ca. 1600 Kilometer
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  • 15.000 Höhenmeter
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  • Super-Brevet
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  • Non-Stopp
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  • max. 134 Stunden (brutto)
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  • Sesta Edition
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  • www.1001migliaitalia.it

 

Start-/ Zielpunkt war Parabiago, ein Vorort nordwestlich von Mailand. Die Rundstrecke war aufgeteilt in 18 Etappen mit insgesamt 17 Depot-/Kontrollpunkten im Non-Stopp Modus, soll heißen, jeder Radfahrer konnte an den entsprechenden Kontrollstellen und auch dazwischen frei entscheiden ob und wie viel Pause er machen wollte. Das gleiche bezog sich auch auf die Schlafpausen. Eben ein Brevet. Es gab noch 4 zusätzliche Stempelkontrollen und 2 Geheimkontrollen. Das Road Book war ausführlich geschrieben. Es beinhaltete viele Hinweise und Tipps für die Strecke und eine genaue Beschreibung/Ausstattung der Depots,  mit den Öffnungs- und Schließzeiten.

sehr detalierte Streckendarstellung incl. Höhenprofil – vorbildlich

Seit der Covid 19-Pandemie wird 1001M als Green Reverse Edition gefahren. Gestartet wurde ab 17:30Uhr in kleinen Gruppen (20 Leute). Die Tour gegen den Uhrzeigersinn begann in der Lombardei und streifte Ligurien mit der italienischen Rivera ab Chiavari. Die Adriaküste vor La Spezia bot imponierende Aussichten. Weiter ging es durch die facettenreiche Emilia Romagna und anschließend durch die sehenswerte, farbenintensiven Toskana, mit einem Teilstück der legendären L’Eroica auf den kalkweißen Schotterstraßen in der Chianti. In Umbrien, dem grünen Herzen Italiens, lag der südliche Wendepunkt, nach Rom waren es von hier nur knapp 90 Kilometer. In Bolsena am gleichnamigen See (KP8) waren fast 800 Kilometer und damit die Streckenhalbzeit geschafft. Das Streckenprofil mit den gut 15.000 Höhenmeter hatte einigen Pässen, wobei der Großteil der Anstiege auf den ersten 2/3 verteilt war. Der Gebirgszug der Apenninen erwies sich als abwechslungsreich, mit einigen steilen Passagen, fantastischen Panoramen und Weitblick und anschließenden teils langen Abfahrten.

spektakuläres farbiges Panorama

 

Der Eventname 1001Miglia ist angelehnt an das berühmt berüchtigte alte Autorennen, welches in der selben  Gegend ausgetragen wurde. Mitlerweile gib es dieses so nocht mehr.

Mille Miglia (Abkürzung: MM; italienisch: Mille „Tausend“, Miglia „Meilen“) bezeichnete ein Autorennen über öffentliche Straßen auf einem Dreieckkurs im Norden von Italien in den Jahren von 1927 bis 1957. Der Name Mille Miglia wurde 1977 für die Neuauflage des Rennens wieder eingeführt.

Für die notwendige und essenzielle Wasserversorgung unterwegs, sorgten oft Brunnen an der Strecke oder auf Friedhöfen am Ortsrand (ein Tipp von anderen Randonneuren). Der vorgegebene GPS-Track wurde sogar teils danach geplant. Natürlich gab es auch die Möglichkeit in Supermärkten einzukaufen, war aber etwas zeitintensiver. Die meisten Tankstellen hatten eine 24/7 Öffnungszeit, betreffend Selbstbedienung zum Benzinzapfen, die wenigsten hatten jedoch einen geöffneten Shop zum Einkaufen. Streckenweise blieben einem wirklich nur die Brunnen als verfügbare Wasserquelle. Aufmerksames Fahren war ein Gebot.

Blick auf Riomaggiore, ein lingurisches Dorf der Cinque Terre

 

Siesta. Am frühen Nachmittag, etwa zwischen 13 bis 16 Uhr bzw. 14 bis 17 Uhr herrschte vielerorts Mittagspause. Das beste Mittel gegen Hitzestress. In dieser italienischen Ruhezeit ruhte quasi das gesellschaftliche Treiben, die meisten Geschäfte waren geschlossen, gerade in den ländlichen Gegenden erstarb das Leben. Menschenleere Straßen und ganze ausgestorben wirkende Dörfer. Nur die Zirpen waren aktiv – unüberhörbar.

Der besondere Service des Veranstalters bei dieser extremen langen Tour waren die zwei Bag Drops – bei Kilometer 614 und 994. Diese Leistung konnte bei der Anmeldung mitgebucht werden und beim Einschreiben vor Ort wurden 2 unterschiedlich farbige Turnbeutel ausgehändigt. Die maximal 4 Kg Inhalt wollten gut überlegt sein: Ersatztrikotagen incl. Radsocken, Wasch-Duschzeug + Handtuch, Zahnbürste, div. Pflege-Crémes, Iso-Pulver und/oder Elektrolyte, Energieriegel, Snacks, vollgeladene Powerbank, ggf. Ersatzbatterien bzw. Akkus und natürlich ganz wichtig! Sonnschutzmittel. Manchmal sind es Kleinigkeiten die zum Erfolg führen bzw. darüber entscheiden.

Der anschließende 500 Kilometer lange Rückweg ab Palazzulo Senio (Depot Nr. 13) durch die Poebene war überwiegend flach. Einige Brückenbauten über den Hauptfluss Italiens waren recht imposant anzuschauen, ebenso die Flusslandschaft an einigen Stellen. Die vorherrschenden (schlechten) Straßenverhältnisse waren sehr gewöhnungsbedürftig und erforderten vom (Reifen-) Material und vom Fahrgeschick so einiges ab. 28mm Reifen oder mehr waren vorteilhaft, ebenso doppeltes Lenkerband und gute Radhandschuhe zur Dämpfung. Mentale Stärke, langjährige Erfahrungen und vor allem Zähne zusammenbeißen war hier gegen die aufkommende Frustration und beginnenden Schmerzen gefordert. Reifenpannen (Schlauch- und Mantelschäden!) gab es währen dieser (Tor) Tour reichlich. Ich blieb glücklicherweise von jeglichem Defekt verschont. Dafür rollte es bei mir die ersten 2 Tage wegen dem katastrophalen bzw dem fehlendem Asphalt eher recht als schlecht – oder umgekehrt? Auf jeden Fall war ich darauf nicht eingestellt, nicht vorbereitet. Meine Wunsch-Vorstellung von dieser Tour unterschied sich gravierend von der Realität. Dahingehend unterschied sich der italienische Straßenverkehr vom heimischen nur durch das kurze Hupen der Autos und LKW´s vor dem dichten Überholen. Randstreifen gab es so gut wie keine, ebenso wenig Radwege, die befahr waren. Zusammen mit der maroden Asphaltdecke war ein runder Tritt, eine zügige und entspannte Fahrt nur selten gegeben. Manche Abfahrt erwies sich dadurch schwieriger zu meistern, als der vorangegangene anstrengende Anstieg. Ein einziges Wort bringt es direkt auf den Punkt: desolat.

Fabio (links) als Depotleiter und Mattia waren eifrig für uns Teilnehmer im Einsatz / Fombio = letztes Depot (17/17)

 

Zum Glück wurde es erst am vorletzten Eventtag (Mittwoch,21.08.) so richtig warm/heiß, mit Temperaturen von über 37°C. Eine Fahrt in der Mittagssonne war nicht empfehlenswert bzw. gesundheitsbedenklich. Einen kühlen Kopf zu bewahren und seinen Fahrplan jetzt anzupassen, war der Rat der Stunde. Zu riskant einen Hitzeschlag zu erleiden. Die Depothelfer und einige italienische Fahrer gaben Tipps und boten Hilfe an. Der radsportliche Ehrgeiz musste gebändigt werden. Meinen Fahrplan passte ich mehrmals dynamisch an und pausierte auch gut 3Stunden am Nachmittag vor den restlichen 120 Kilometern bis ins Ziel. An der letzten Stempelkontrolle gönnte ich mir 3 Kugeln Eis zur Stärkung und kam nach 123 Stunden ins Ziel gerollt.
Das Brevet = Prüfung erfolgreich bestanden.

 

Das käufliche Event-Trikot wurde zum einem hart und heiß erkämpften Finisher-Trikot.
Mit Stolz und Ehre wird dieses jetzt getragen – zu Recht.

Die Finisher-Medaille bezeichnete ich schon unterwegs als meine persönliche Tapferkeits-Medaille, getreu dem Motto: „Tue zuerst das Notwendige, dann das Mögliche, und plötzlich schaffst du das Unmögliche.“  (Franz v. Assisi)

 

 

Nachtrag:  Das wirklich schöne und angenehme an 1001MIGLIA war das überschaubare, kleinere Starterfeld gegenüber den 5000 Startern bei „Paris Brest Paris“ (PBP) im Jahr 2023. Dadurch kam man viel öfter mit den anderen Radfahrern zusammen und ins Gespräch. Der Kontakt war dadurch wesentlicher intensiver. Man traf sich auf der Strecke, in den Kontrollen immer mal wieder oder unterwegs spontan in einer Gelateria, und wusste noch wer der andere war bzw erinnerte sich an den Namen.. Im Ziel wurde dann gemeinsam und international gefeiert: bei Pasta, Melone und italienischen Marmeladenkeksen. Rad-Freundschaften durch den Austausch der Kontaktdaten gefestigt, viele Erinnerungsfotos gemacht. Mein brasilianischer Radfreund, Leandro,  den ich im letzte Jahr bei PBP kennengelernt habe, war ebenfalls am Start. Auch wir trafen uns erfreulicherweise öfter auf der Strecke und haben spontan morgens einmal zusammen einen Expresso getrunken. Eine sehr schöne, bleibende Erinnerung.

Ganz unverhoft mit Leandro morgens einen Expresso getrunken – wir waren happy

Diese Brevet-Homologation zählt für die vom ARI (Audax Randonneur Italia) verwaltete GRANBREVETTO Randonnée Europe Challenge und ist im Zyklus nach PBP, das zweite von vier zu absolvierenden Langstreckenevents (Super-Brevet). Nun bleibt mir (und Leandro) auf einen Startplatz in England zu hoffen.

Bildreiche Streckenimpressionen:  hier klicken

Studiomitschnitt bei noa4: hier Klicken 
zu beachten! nur bis zum 22.09.2024 aktiv und „Alle Rechte liegen bei der on air new media GmbH“

Arrivederci!  See you later!  Auf Wiedersehen!  Bis „London Edinburgh London“ (LEL) 2025.

https://londonedinburghlondon.com/
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Heiner
22 Tage zuvor

Respekt und Glückwunsch für diese grandiose Leistung.
Toller Bericht und einfühlsamer Bericht. Ich wünsche eine rasche Regeneration.