Meine Erlebnisse im Mutterland des Radsports

Paris-Brest-Paris (PBP) 2019

Noch sehr müde bin ich nach 80 Stunden um 01.30 Uhr wieder in Rambouillet angekommen. Diesmal gesünder als bei meiner ersten Teilnahme in 2015: keine tauben Finger, kein wundgescheuerter Po, keine Bewegungseinschränkungen. Aber: Steifigkeit, Knie- und Muskelschmerzen.

Auf der Route: viele neue Straßendecken (glatter Asphalt), kräftiger Westwind auf der Hinstrecke, trockenes sonniges Wetter, auf der Rücktour ca. 27 Grad Celsius, teilweise leichter Gegenwind oder Seitenwind.

Alle Beteiligten scheinen froh zu sein, daß es vor der Tour aufgehört hatte zu regnen.

Das wohl Einmalige und Besondere ist der moralische und leibliche „Support“ der Bevölkerung. Ganz sicher ohne deren Mitwirken wären die Fahrzeiten aller viel länger, der Wille zum Durchhalten deutlich schwächer.

Bevölkerung und Radsportler aus aller Welt – besser aus der gesamten Welt – bilden alle 4 Jahre eine Einheit. Es sind wir Radsportler, die als Helden gefeiert werden, es sind die vielen privaten Unterstützer, die tags und in den kalten Nächten an der Straße an ihren kleinen oder größeren Versorgungsständen Getränke und Essen reichen. Ihnen gebührt auch ein Teil an unserem Heldenruhm.

Oftmals wünschen sie sich aus der Heimat des Radsportlers eine Ansichtskarte, Bezahlung der Versorgung wird meistens abgelehnt.

Das Foto, welches eine Familie am Straßenrand zeigt, zusammen mit dem Foto „Brest 136,6 km“ zeigt Leute aus ganz armlichen Verhältnissen. Sie geben mir einen Kaffee, waren sehr stolz zu unterstützen und waren sehr interessiert zu erfahren, woher ich komme. Sie boten mir für die Rücktour einen Schlafplatz an. Unglaublich !

In Villaines-la- Juhel brachte diesmal die Stadt Radfahrer und Bevölkerung zusammen: das Depot-Restaurant stand allen offen, wobei Radsportler vorrangig bedient wurden ! Kinder und Jugendliche  führten uns an der Essensausgabe vorbei, erklärten die Speisen, trugen das Tablet bis zum Sitzplatz.

Dort fand ein Volksfest statt.

Technischer Verlauf: 1 Platter, 1 mal trockene Kette. Als mein Hinterrad immer mehr Luft verlor bemerkte dies ein Franzose am Straßenrand, der mich und meinen französischen Begleiter aufmerksam machte. Er half beim Schlauchwechsel und brachte gleich eine Standpumpe mit.

Eine besondere Herausforderung stellte ich mir im letzten Depot in Dreux als ich eigentlich schon damit zu rechnen hatte, daß ich es diesmal nicht mehr unter 80 Stunden schaffen würde: ich hatte noch 1 ¾ Stunde Restzeit bis zur Überschreitung der 80-Std.-Marke. Ich dachte dann, daß ich es mal versuchen könnte die letzten 44 km bis zum Ziel mit den letzten Reserven ganz stramm zu fahren. Und tatsächlich: ich blieb mit ganz knapp 79:59:22 unter 80 Stunden. Das hat mich sehr gefreut diese letzte persönliche Herausforderung geschafft zu haben.

Nach meiner ersten Teilnahme in 2015 wollte ich anfangs von diesem „Gewaltakt“ nichts mehr wissen. Ich war ausgemergelt und kaputt. Noch im Herbst 2015 spürte ich auf der RTF in Berlin-Spandau, daß mir einfach Kraft fehlte.

Nach der jetzigen Teilnahme, ich habe deutlich mehr geschlafen (insgesamt 14 Stunden), bin ich sofort bereit in 2023 wieder an dieser außergewöhnlichen Tour teilzunehmen.

Mit Randonneursgrüßen

J`aime la france 

Jörg B.

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